Wie das Internet klimaneutral wird: ein Interview mit Erik Sommer, dem Initiator von „CO2-neutrale Website“
Der Klimawandel ist das Problem unserer Zeit. Das Bewusstsein dafür, dass wir jetzt handeln müssen, steigt. Doch während global viele Klimaschutzziele gesetzt werden und immer mehr Menschen auf ihren Konsum achten oder diesen ausgleichen, bleibt ein wichtiger Faktor meist ungesehen: das Internet. Jeder einzelne Aufruf, jeder Klick auf einer Website verursacht CO2-Emissionen. Bereits jetzt macht das Internet ungefähr 3,7% der globalen Emissionen aus. Wäre das gesamte Internet ein Land, würde es sogar mehr CO2 ausstoßen als Japan1 mit 3,2%.
Da construktiv sich ebenfalls der Initiative „CO2-neutrale Website“ angeschlossen hat, haben wir im Folgenden vertiefende Informationen darüber zusammen gestellt, wie die Emissionen einer Website entstehen und wie man sie reduzieren und/oder kompensieren kann. Um direkt zum Interview mit Erik zu kommen, klicke hier. Artikel und Interview stehen übrigens auch auf Englisch zur Verfügung.
Der unsichtbare Verbraucher
Wo entstehen die CO2-Emissionen durch die eigene Website?
Die eigene Website ist für viele Betreiber erstmal ein unsichtbares Medium. Hier und da gibt es Rechnungen zu begleichen, Besucherzahlen kursieren neben Keyword-Analysen umher – aber eben alles digital! Von einer klimaneutralen Website wird häufig aber noch nicht gesprochen. Wo kommt es denn nun zu dem CO2-Ausstoß? Der fängt dort an, wo sich die Website befindet – nämlich auf dem Server eines Webhosting-Anbieters, außer die Website wird selbst gehostet, dann ist der Standort des Servers im Idealfall das eigene Unternehmen. Leicht verständlich wird die resultierende CO2-Emission durch die eigentliche Definition eines Servers. Denn solch ein Server ist nichts anderes als ein Computer, der rund um die Uhr läuft um die Verfügbarkeit der Website zu garantieren.
Zweiter Faktor sind die Nutzer. Jeder Besucher und jeder Seitenaufruf sorgt zwangsweise für Stromverbrauch. Egal ob über Smartphone, Tablet oder PC gebrowst wird, der Stromverbrauch ist messbar.
Fazit: wo Strom verbraucht wird entstehen irgendwo auch CO2-Emissionen.
Der Dreiklang der Nachhaltigkeit
Als Website-Betreiber stellt sich nun die Frage: Was ist zu tun? Wie kann ich einen Beitrag leisten um meinen CO2-Fußabdruck zu reduzieren? Dazu gilt es zunächst einmal diesen wichtigen, allgemeingültigen Dreiklang anzuwenden: vermeiden, reduzieren, kompensieren.
Doch ist das gar nicht so einfach, vor allem wenn es um digitale Anwendungen geht. Websites sind wichtiger Hauptbestandteil der Wirtschaft, kaum ein Unternehmen kommt ohne eine aus.
Überflüssige CO2-Emissionen vermeiden
Wer mit seinem gesamten Unternehmen klimaneutral werden möchte, sollte zu Anfang einen geordneten Überblick über alle Vorgänge im Unternehmen gewinnen, die zu CO2-Emissionen führen. So verhält es sich auch, wenn erstmal die Website im Fokus steht. Webhosting kann ebenfalls schnell in einzelne Punkte unterteilt werden. Es stellen sich Fragen wie, auf welchen Servern die Website liegt und wie viele Menschen von wo aus auf die Seiten zugreifen. Beim Webhosting lassen sich aber leider meist nur sehr geringfügig Prozesse vermeiden, da fast jeder Schritt im Prozess wichtig und unvermeidbar ist.
Nicht vermeidbaren Ausstoß nach Möglichkeit reduzieren
Was nicht vermieden werden kann, wird stattdessen verkleinert. Z. B. indem der Strom, der für die Betreibung der Website benötigt ist, von Ökostrom-Anbietern bezogen wird oder alternativ die Website bei einem Hoster liegt, der ebenfalls Ökostrom bezieht. Auch die Performance einer Website ist sehr wichtig, wenn es um die Reduktion des Stromverbrauchs geht. Eine optimierte Website weist deutlich schnellere Ladezeiten auf und verringert den Stromverbrauch signifikant.
Reduzierte CO2-Emissionen durch Kompensation ausgleichen
Nachdem alles getan wurde, um den CO2-Fußabdruck der eigenen Website so klein wie möglich zu halten, geht es nun um die Kompensation der unvermeidbaren Treibhausgas-Emissionen – die letzte und wichtigste Etappe.
Wer mit seiner Website wirklich klimaneutral werden möchte, kommt an diesem wichtigen Schritt nicht vorbei. Ziel ist es nun, sämtliche Emissionen, die nicht eingespart werden können, durch Klimaschutzprojekte auszugleichen bzw. zu kompensieren. Klassisch ist unter anderem, wie bereits erwähnt, der Ausgleich der durch die Nutzer entstandenen Emissionen.
Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich bereits viele Anbieter gefunden, die die gezielte Unterstützung solcher Klimaschutzprojekte zum Kauf gegen Zertifikate anbieten. Zum Teil ist es sogar möglich genau zu wählen, welche Projekte unterstützt werden sollen. So gibt es etwa die Wahl zwischen dem Aufbau von Energieeffizienzprojekten, der Finanzierung nachhaltiger Energieerzeugung mit Wind- und Wasser sowie Projekten zur Aufforstung, wobei der damit verbundene Kompensationseffekt erst mit dem Wachstum des Baumes nach einigen Jahren auftritt. Aus diesem Grund gibt es auch Projekte, deren Ziel es ist, bestehenden Regenwald zu kaufen, um diese Flächen vor Gefahren wie etwa illegalen Brandrodungen zu schützen.
Eine Website ist also erst dann klimaneutral, wenn die entstehenden CO2-Emissionen berechnet, verkleinert und schlussendlich auch durch Klimaschutzprojekte ausgeglichen werden. Dabei müssen auch die CO2-Emissionen der Nutzer kompensiert werden.
Klimaneutralität per Klick
Was verbirgt sich hinter dem Zertifikat von "Co2-neutrale Website"?
Große Namen wie Krombacher oder T-Online setzen auf das Zertifikat von „CO2-neutrale Website“ um mit ihrer Website klimaneutral zu werden – und das hat einen Grund: Es ist nämlich alles andere als egal, von welchem Anbieter welches Zertifikat erworben wird. Eine klare Struktur, Transparenz und ausschließlich durch den Gold Standard zertifizierte Projekte sind die wesentlichen Aspekte bei der Wahl des geeigneten Anbieters. Bei „CO2-neutrale Website“ ist dies eindeutig der Fall. So werden Wasserprojekte in Afrika, Windenergieprojekte in der Türkei oder Regenwaldprojekte in Südamerika unterstützt, kontrolliert von unabhängigen Stellen.
Wir gehören zu einem von über 2.500 Unternehmen aus mehr als 50 Ländern, die das Siegel der Initiative auf ihrer klimaneutralen Website tragen.
Was ist eigentlich der Gold Standard?
Der Gold Standard wurde 2003 vom World Wide Fund for Nature, dem WWF, ins Leben gerufen. Er soll die Projekte zertifizieren, die besonders effektiv, zukunftsorientiert und vor allem nachhaltig Treibhausgase in der Atmosphäre reduzieren oder durch ihr Handeln vermeiden. Mittlerweile ist die Auszeichnung von mehr als 80 NGOs als wichtigste Zertifizierung für Klimaschutzprojekte zur Reduzierung von CO2 in der Atmosphäre bekannt.
Interview mit Erik Sommer
Fragen an den Kopf hinter "CO2-neutrale Website"
Hi Erik! Wir freuen uns sehr, dass du dich für ein Interview mit uns bereit erklärt hast!
1. Erstmal würde ich dich darum bitten wollen, dass du dich kurz vorstellst und erklärst, warum du 2009 die Initiative gegründet hast.
Bereits 2009 hatte das Internet die Luftfahrtindustrie in Bezug auf den CO2-Ausstoß überholt. Daher haben wir uns dazu verpflichtet, Unternehmen dabei zu helfen, die CO2-Emissionen ihrer Websites zu kompensieren und die gute Nachricht mit ihren Nutzern zu teilen.
Ich habe einen Hintergrund in Windkraftanlagen. Dadurch wuchs mein Interesse an unserer Umwelt und vor allem an dem, was wir als Individuum schon tun können um Gutes zu bewirken.
2. Was sind beim Webhosting die größten Emissionsquellen? Auf was sollte besonders geachtet werden und wie ist es möglich diese Faktoren zu minimieren?
Etwa 5 % der CO2-Emissionen stammen vom Hosting, 95 % der CO2-Emissionen stammen von den Besuchern. Das bedeutet, dass ein Unternehmen nur in Bezug auf die 5 %, die durch das Hosting entstehen, etwas tun kann.
3. Ihr unterstützt mehrere Projekte in verschiedenen Ländern, wie sucht ihr euch diese Projekte aus und was sind eure Auswahlkriterien neben der Zertifizierung durch den Gold Standard?
Bei der Auswahl der Methoden zur Kompensation von CO2-Emissionen setzen wir folgende Prioritäten: CO2-Reduzierung durch Gold-Standard-Projekte, Erzielung von sozialen Verbesserungen in Entwicklungsländern, Beitrag zum Aufbau neuer Anlagen für erneuerbare Energien (Wind und Sonne) und die Verbreitung der Botschaft, dass CO2-Kompensation eine sinnvolle Ergänzung zu Ihrer gesamten Klimainitiative ist.
Um die ehrgeizigen Ziele der CO2-Reduzierung und der sozialen Verbesserungen in den Entwicklungsländern zu erreichen, haben wir uns in verschiedenen Klimaschutzprojekten in Afrika engagiert. Wir unterstützen den Aufbau erneuerbarer Energiequellen, wie z. B. neue und effizientere Windkraftanlagen. Wir engagieren uns nur in Ländern, in denen wir glauben, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien einen Netto-Neueffekt haben kann.
4. Wie viel von dem für das Zertifikat gezahlte Geld fließt direkt in die Projekte?
Im Durchschnitt über mehrere Jahre sind es etwa 90 %.
5. Von welchem Kontinent und aus welchem der über 50 Länder in denen Unternehmen deine Initiative unterstützen kommen die meisten Anfragen?
Europa, Dänemark. Deutschland ist das zweitgrößte Land, wird aber bald Dänemark überholen.
6. Woran glaubst du liegt das und wo wollt ihr noch mehr Unterstützer gewinnen?
Wir haben die Initiative in Dänemark gestartet, und der dänische Staat war Mitbegründer der Initiative.
Diese Initiative war die erste ihrer Art. Zeitungen, Radiosender usw. verbreiteten die Initiative, was ihr zu einem [schnellen] Wachstum verhalf. Deutschland ist neben Dänemark unser Hauptschwerpunkt, und wir sehen, dass Unternehmen aus Deutschland ebenso wie dänische Unternehmen daran interessiert sind, ihre Teilnahme zu verlängern, was großartig ist, weil wir dann wissen, dass wir etwas richtig machen.
Wenn man Teil der CO2-neutralen Website ist, stärkt man nicht nur sein eigenes nachhaltiges Profil. Auch die Nutzer finden das attraktiv und ziehen eine nachhaltige, CO2-neutrale Website anderen vor.
7. Wie gut steht Europa beim Thema Klimaneutralität zum Rest der Welt da?
Europa übernimmt eine führende Rolle. Aber wir können uns nicht allein auf die Regierungen verlassen. Auch Privatpersonen und Unternehmen müssen ihren Beitrag leisten. Da unser Projekt das Geschäft unserer Teilnehmer stärkt und gleichzeitig dem Klima hilft, sehen wir gute Chancen für eine echte Wirkung.
8. Google und Facebook beziehen 100% ihres Stroms aus erneuerbaren Energiequellen. Wie wichtig ist dieser Schritt?
Sehr wichtig. Es beweist, dass die Unternehmen Vorteile darin sehen, klimafreundliche Maßnahmen zu ergreifen.
Facebook, Google und andere große Unternehmen können den Endnutzer und seine Energiequellen nicht kontrollieren – auch deswegen berücksichtigen wir die Emissionen der Nutzer in unseren Berechnungen.
Die Nutzung erneuerbarer Energien ist also sehr wichtig – egal ob man ein kleines oder großes Unternehmen ist. Man sollte tun, was man tun kann und dafür ist unsere Initiative ein guter Anfang.
9. Kaum eine Branche ist so schnelllebig und anpassungsfähig wie die Digitalbranche. Wie schätzt du die Entwicklung der Branche in Hinsicht auf Klimaneutralität ein?
Sehr positiv. Aber bedenken Sie, dass die ersten Schritte sehr kostspielig waren – aber sie wurden dennoch unternommen. Jetzt können die Unternehmen von vielen Maßnahmen profitieren. Das kann den Wandel beschleunigen.
10. Wie siehst du unsere momentane Lage – können wir den Klimawandel noch stoppen bzw. rückgängig machen und was ist jetzt besonders wichtig?
Ja, wir können noch viel tun. Entscheidend ist, dass alle mit Taten beitragen, nicht nur mit Worten. Unsere Initiative ist ein guter Anfang für viele Unternehmen.
Ich bin begeistert und freue mich, dass unsere Initiative wächst und dazu beiträgt, dass Menschen und Unternehmen die Bedeutung der CO2-Reduzierung erkennen.
Was mich auch freut, ist die Tatsache, dass unser Projekt selbst direkte Ergebnisse liefert. Wir reduzieren die CO2-Emissionen und verbessern die Lebensqualität von Familien in Entwicklungsländern. Das ist eine Win-Win-Situation für das Unternehmen und den Planeten, und ich hoffe, dass sich in Zukunft noch mehr Unternehmen daran beteiligen möchten.
Vielen Dank für deine aufschlussreichen Antworten, Erik!
>>Hier geht’s zur Initiative co2neutralwebsite.de >>
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